Montag, 13. Februar 2012

Rallye durch Mauretanien

Hallo liebe Mitreisende!

Wir waren ja dabei, dieses Niemandsland zu durchfahren und das stimmt im wahrsten Sinne dieses Wortes. Man mußte hindurch durch diesen feinen weißen Sand, der sich abwechselt mit welligem, felsigen Grund und das Gelände auch noch anstieg.
Wir Zweiradfahrer waren mit die Ersten, die dieese Strecke an diesem Tag befuhren. Also die drei norwegischen Vespafahrer mir voran, die mauretannische Flagge am Mast in ca. 2 km Entfernung angepeilt und direkt auf dem kürzesten Weg darauf los. Sie waren noch niemals in solch einem Gelände gefahren und als sie merkten wie schwierig diese Strecke wurde, je weiter wir fuhren, saß auch schon der erste fest. Einer von ihnen hatte den ersten Abschnitt von ca. 300 m gerade noch so geschafft. Dann saß der Dritte auch fest.
Mir machte der tiefe Sand nicht soviel aus, da ich eine größere Bereifung hatte und meine BMW mit ihren mageren 60 PS doch mit genügend Power ausgestattet war und ich genau wußte, wo ich fahren muß ohne anzuhalten. Für mich war dieses Gelände noch einigermaßen befahrbar. Da die Norweger in diesem Sand immer wieder die Kupplung ziehen mußten, um ihre kleinen Motoren nicht abzuwürgen, verheizten sie dabei die Kupplung der einen Maschine. Sie hatten sich aber gut auf diese Rallye vorbereitet und jeder hatte eine Ersatzkupplung mit. Sie legten die Vespa auf die Seite, nahmen die Verkleidung ab und schon wurde das Kupplungsgehäuse geöffnet. Sie hatten Zuhause schon gut geübt und der Kameramann von ihnen war auch ein versierter Schrauber. Gut so! Da blieben meine Hände ohne Schmiere und ich hatte nur die Aufgabe, mit meiner Jacke den Wind mit dem Treibsand abzuhalten. Für meine Erfahrung war mir doch zuviel Sand ins Innere des Motors gekommen, aber drei Norweger würden sich von einem Deutschen nichts sagen lassen. War schon in Ordnung so, da war ich völlig außen vor, wie man so sagt. Nach einer Stunde war die Kupplung repariert.
Was aber doch beeindruckend war, alle anderen folgten mit ihren Autos dieser Strecke, auch wenn sie sahen, daß schon einige fest saßen. Nun hatten selbst die Lemminge mit ihren PS-starken Allrad-Potenzkutschen ihre Probleme, wenn sie anhalten mußten. Das Flottmachen der Einachsgetriebenen gelang meist nur mit mindestens fünf Männern, die am Heck alles gaben. Kein einziger Fahrer ist vorher ausgestiegen, um sich die Strecke erst einmal anzusehen und nach einer günstigeren parallel verlaufenden Pistte zu sehen. Es gibt sie und so ist die Strecke zwar nur zwei Kilometer lang, dafür aber mehrere hundert Meter breit. Man sollte aber immer auf schon befahrenen Strecken bleiben, weil hier überall Minen vergraben sind, um den Abenteuerfaktor zu erhöhen- nein stimmt nicht, aber die Minen gibt es.
Am aller einfachsten hat man es, wenn man dort entlang fährt, wo die 38-Tonner fahren und die großen Reisebusse. Meine norwegischen Freunde nahmen jetzt eine andere Strecke, denn im Tiefsand den leichten Anstieg hoch hätten sie nie geschafft. Hatte mich gewundert, daß sie überhaupt soweit gekommen waren. Viele dieser Rallye-Fahrzeuge waren so alt und am Ende, daß sie in Afrika garnicht auffielen. Sie sollten am Ziel verkauft werden. Es gab aber auch richtige Nobelkutschen mit der besten Ausstattung, auch technisch gesehen. Von einigen Russen wußte ich, daß sie diese gesamte Strecke wieder zurück fahren, um ihre Autos zu behalten.
Ich folgte den Vespas auf der Schwerlaststrecke, bis wir die Grenzabfertigung von Mali erreicht hatten. Auch auf dieser Seite der Grenze verlief die Abstempelung der Pässe reibungslos und schnell. Innerhalb von zwei Tagen mußten immerhin 150 Fahrzeuge zusätzlich abgefertigt werden. Da kann man sich keine Trödeleien erlauben, denn diese Rallye war von allen Ländern, die durchfahren wurden genehmigt worden. So rutschte ich als "Trittbrettfahrer" einfach mit durch. Ich wurde zwar manchmal gefragt "Bamako"? Ja, selbstverständlich wollte ich nach Bamako. Tatsächlich führte die Rallye nach Bissao, weil Bamako dem Veranstalter dann doch zu gefährlich erschien.
Wir verließen den Grenzbereich und nach ein paar Kilometern gönnten wir uns erst einmal eine Cola und ich mir ein ganz frisches Brot, das hervorragend schmeckte. Es war auch das erste, was ich an diesem Tag aß. Bis zum Camp, das der Veranstalter eingerichtet hatte waren es nur noch etwa 30 km und wir wurden dort mit Jubel begrüßt. Hier traf ich auch die anderen ungarischen Motorradfahrer mit ihrem prallen Troßwagen. Sie waren fast ohne Gepäck durchs Niemandsland, mein Motorrad wiegt mit Gepäck und mir 400 kg.
Bei den Ungarn mußte ich erst einmal einen Schluck aus der Pulle nehmen und mit ihnen ungarische Wurst essen. Sie hatten eine wäschekorbgroße, schwarze Plastikbox voll mit Wurst, die aber wegen der Hitze schon entsprechend reagiert hatte. Abgewischt der Schimmel und gut! Das Risiko einer Afrikareise liegt wohl nicht so sehr beim Schimmel, oder?
Ich wurde von allen Teilnehmern begrüßt, wie einer der ihren. Die ersten Russen hatte ich ja schon südlich von Marrakesch getroffen und mich mit einer Russin unterhalten. Sie kam immer wieder und unterhielt sich mit mir, weil die Russen alle Angst vor Afrika haben, auch ihr Mann. Diese Rallye war das, was sie ihm abringen konnte. Es bildeten sich immer Gruppen im Camp, die aber auch gegenseitigen Kontakt suchten. Hier traf ich auch vier Deutsche, die mit einem Allrad-Lkw unterwegs waren, zwei Paare. Sie waren auch nur zufällig auf diese Veranstaltung getroffen.
Am nächsten Morgen stand ich zeitig auf, weil ich nicht wollte, daß die Norweger auf mich warten müssen. Sie trödelten jeden Morgen, obwohl wir zeitig starten wollten. So machte ich noch einen Rundgang durch das Lager und zu den "Schmuckverkäufern", die bei den Soldaten lagerten. Wir hatten die ganze Nacht eine zehn Mann starke Wachmannschaft, die mitten im Camp lagerten, als wenn die Rallyeteilnehmer sie beschützen sollten. Wäre wirklich ein Angriff gekommen, so wären immer Touristen zwischen den sich beschießenden Parteien gewesen.
Das nächste Ziel war wieder ein Camp, und zwar direkt am Meer. Um es zu erreichen mußten wir 30 km am Strand entlang fahren und zwar bei Ebbe, denn bei Flut gabs keine Zuwegung. Wir mußten deshalb einen Zeitplan einhalten. Schon die Piste hatte ihre Tücken. Sie war zwar gut, aber sie war auf Teilstücken mit einigen Sandhügeln zugeweht. Jetzt hatten die Vespafahrer aber Respekt, denn sie hatten nicht unbegrenzt Kupplungen zur Verfügung. Sie ließen also erst einmal Luft von ihren Reifen, denn dadurch verändert sich das Fahrverhalten im Sand völlig. Ich machte das auch. So überquerten wir sämtliche Hindernisse ohne Kupplungsbrand. In dem "Villige" am Strand wartete die nächste Prüfung auf uns, besser gesagt, auf meine Freunde.
Vom Ort bis zum Strand waren etwa 300 m Sandpiste zu bewältigen. Und wieder machten alle den Fehler, in der schlechten und zerfahrenen Spur des Vordermannes zu fahren. Ich suchte mir meinen eigenen Weg und kam ohne Schwierigkeiten durch. Die Norweger wollten sich von einheimischen Jungs schieben lassen und verhandelten erst einmal über den Preis. Ich fuhr schon einmal los, denn es waren 30 km am Strand zurückzulegen, und zwar bevor die Flut kommt und eine Weiterfahrt unmöglich machte.
Nachdem ich mich erst einmal mit dem völlig neuen Untergrund vertraut gemacht hatte, fuhr ich streckenweise mit 60 km/h am Strand des Antlantik entlang. Manchmal mußte ich schon recht dicht am Wasser fahren. Ich hatte das Gefühl, die Strecke nimmt gar kein Ende, denn ich war völlig allein unterwegs, aber verfahren konnte man sich ja nur, wenn man abbog. Aber wohin auch? das ging ja nicht!
Dann erreichte ich das Camp und wurde wieder von allen begrüßt, besonders von den Russen, die gleich mit einer Flasche kamen, aus der ich einen Schluck nehmen mußte. War wohl Wodka. Alle Fahrzeuge hatten heimische alkoholische Getränke an Bord und das nicht zu knapp, denn es wurde jeden Abend richtig gezecht. Und Lebensmittel aus der Heimat hatten auch alle reichlich mit, denn es startete auch jeden Abend das große Fressen. Da war ich eher der Hungerleider.
Diesen Abend wollte ich mit den Norwegern zusammen kochen. Sie hatten auch nicht mehr soviel mit. Sie gaben Nudeln und einen Rest Käse, ich gab Gewürze und Salz und einen großen Topf und es schmeckte toll, so hungrig waren wir. Anschließend kochten wir meinen Tee. Es knirschte zwar alles ein Wenig, denn unser Restaurant und die Küche befanden sich ja im Tiefsand. Egal.
Am nächsten Morgen konnte man beobachten, wie die meisten mit Rolle in der Hand in der Wüste verschwanden, die hier bis an das Meer reichte. Wer soviel ißt! Das Lagerleben startete schon zeitig, obwohl viele bis tief in die Nacht gefeiert hatten. Es wurde schon morgens wieder gekocht und gebraten und getrunken. Es wurden auch Reparaturen an den Fahrzeugen ausgeführt. Ungarn legten dafür das Auto komplett auf die Seite, um am Antrieb zu schrauben. Viele der Fahrzeuge waren sowieso nicht mehr rückfahrtauglich. Die Fahrer konnten froh sein, am Zielort anzukommen. Die Russin kam wieder vorbei, weil sie Fotos vom Motorrad machen wollte. Das Motorrad und ich wurden sehr oft ins Visier genommen und oft stellte sich dann noch jemand unbekanntes dazu. Ich hätte es mehrmals verkaufen können.
Als die Flut zurück ging, starteten die ersten Fahrzeuge zurück zur Straße. Viele mußten wieder an die Uferzone geschleppt werden, um festen Grund unter die Räder zu bekommen. Wir starteten auch. Diesmal war es aber nicht so einfach voranzukommen. Das Meer hatte noch nicht genügend Strand freigegeben und so fuhren alle in einer Spur. Es war schrecklich. Der Boden war völlig zerfahren und es gab tiefe Spuren. Das hassen Zweiradfahrer! Wir waren froh, wieder im Dorf angekommen zu sein. Ich suchte mir meinen ganz persönlichen Weg und hatte keine Probleme, vom Ufer fort zu kommen. Meine Freunde brauchten wieder schwarzen Schub. Über die Sanddünen auf der Piste kamen wir auch wieder gut hinüber und fuhren dann zur Hauptstadt Noakchokh. Das dauerte aber noch zwei Stunden.
Nur an der vierspurigen Straße merkte man, daß diese Stadt eine besondere war. Es war tatsächlich nur eine staubige verdreckte Stadt wie alle anderen in dieser Region auch. Es gab allerdings ein paar Ampeln. Wir erreichten das vom Veranstalter empfohlene Hotel so spät, daß wir kein Zimmer mehr bekamen. Kein Problem, dachten wir, dann zelten wir. Durften wir auch, für 30 Dollar pro Person. Der mögliche Platz dafür war entweder Müllplatz oder Hundeklo. Also schlug ich mein Zelt auf dem Parkplatz auf. Hatte ich schon öfter gemacht, aber eben nicht für 30 Dollar.
Ich traf hier auch einen deutschen Rallyeteilnehmer und seinen Freund wieder. Er bot mir sofort seinen Lodge-Schlüssel an, um sein Bad zu benutzen. Außerdem lud er mich zum Essen ein. Sie hatten mit mehreren Fahrern Fisch und anderes Getier gekauft und in die Hotelküche zum Zubereiten gegeben. Nach dem Duschen begab ich mich dort hin und traf dort auch die Vespafahrer. Wieder wurden alle mit wenigstens einem Glas Hochprozentigem betankt, ekeliges Zeug! Es gab soviel Fisch, daß noch davon übrig blieb. Mit zwei Stück war mein Schrumpfmagen sowieso völlig abgefüllt.
Am nächsten Morgen sollte es aber ganz zeitig losgehen. Also stellte ich den Wecker und stand noch im Dunkeln auf und packte. Bei Sonnenaufgang war ich startklar. Ich wartete wieder, bestimmt zwei Stunden. Nun aber los, zur Grenze zum Senegal. Es lagen ja noch drei Stunden Fahrt vor uns und wir mußten erst einmal aus der Stadt heraus, was nicht so einfach war, für die anderen. Sie hatten jetzt sogar noch Verstärkung bekommen durch einen norwegischen Quadfahrer. Ein Quad ist ein etwas größerer Aufsitzrasenmäher ohne Mähwerk. Der Quadfahrer raste hin und her, mal folgten wir ihm, mal er uns. Manchmal konnte ich schon an der eingeschlagenen Himmelsrichtung erkennen, daß wir gleich eine Wendung machen. Endlich stimmte die Richtung. Der Quadfahrer hatte Probleme mit seinem Fahrgerät und so pausierten wir einige Male kurz. Kurz vor der Grenze wurden wir plötzlich von Polizisten in eine üble Ecke des Ortes gelenkt und ich hatte dabei kein gutes Gefühl. Dann auch noch durch ein großes Tor. Ich dachte, die setzen uns fest. Es war aber nur ein kleiner Umweg, denn die ganzen Rallyefahrzeuge hätten sonst den normalen Grenzverkehr stillgelegt. So standen nun alle Rennfahrzeuge in einer Reihe hintereinander und warteten. Worauf? Weiß ich auch nicht. Daß es weiter geht – aber ging es nicht. Die Sonne stand senkrecht. Es gab kaum Schatten für die Zweirad- und Quadfahrer. So warteten wir bestimmt über eine Stunde, bis sich die Fahrzeuge um 50 m vorwärts bewegten. Dann wieder eine Stunde warten. Das ganze wiederholte sich einige Male, bis wir im Zollhafen am Fähranleger standen. Der Tourismusminister von Mauretanien höchst persönlich leitete dise Transaktion – und wie blöd er dabei vorging. Er gab Anweisung, daß drei Leute einer ganz bestimmten Fahrzeuganzahl die Pässe, Fahrzeugscheine, Führerscheine und pro Person 50 Euro einsammeln mußten und damit bei den Grenzern im Büro erscheinen mußten. Nach der Bearbeitung sollten dann alle ihre Papiere wiederbekommen. Das konnte nur schief gehen.
Wie vorhergesehen, gab es bei der Rückgabe ein riesiges Durcheinander und die Russen vermißten ihre Fahrzeupapiere komplett. Nach der Rückgabe aller Papiere durften immer nur einige Fahrzeuge auf die Fähre und es machte sich Unmut breit. Auf der anderen Seite des Senegal erwartete uns die Grenzabfertigung des Staates Senegal und es waren nur noch zwei Stunden bis zur Dämmerung und dann waren da noch einige Kilometer bis zum Hotel. Also Fahrt im Dunkeln. Aber erst einmal fuhren wir auf die Fähre. Wie es weiter ging erfahrt ihr im nächsten Bericht.
Nicht die Geduld verlieren, liebe Abenteurer, wir sind schließlich in Afrika. Ihr wolltet doch mit, oder?!
 Bis bald.

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