Montag, 27. Februar 2012

Bei den Menschen in Mali

Liebe Abenteurer !

Jetzt wollen wir zusammen das Sahelland Mali bereisen.
Ihr erinnert euch doch noch daran, dass mein Reisepass unberechtigter weise einkassiert wurde, obwohl der Pass einem nicht abgenommen werden darf, weil er Eigentum der "Bundesrepublik Deutschland" ist. Er darf auch nicht verpfändet werden! Ich erhielt noch einmal eine richtige Standpauke und all meine Einwände interessierten den Uniformierten Zivilisten nicht. Was der sich überhaupt einbildete. Nun, wir sind in Afrika und da sind die Spielregeln etwas anders, man muss sie nur kennen.
Ich setzte mich auf den einzigen noch freien Stuhl und begann das Problem afrikanisch zu lösen. Ich lümmelte mich ganz locker auf den Stuhl legte den Kopf zurück und machte die Augen zu. Ich reagierte auch nicht mehr auf irgendein Gequatsche. Ich hatte Zeit, denn die Straße sollte gut sein und die Strecke sollte auch nicht zu lang sein. Ich entspannte und siehe da, der Wichtigtuer ließ mich keine fünf Minuten "chillen", da sah ich aus dem Augenwinkel, dass er mir meinen Pass reichte. Ich sagte nichts, nahm ihn einfach und fuhr.

Die Straße war wirklich gut, bis auf wenige Abschnitte mit riesigen Schlaglöchern. Aber die konnte man meist schon von weitem erkennen, da die Fahrbahn dann rötlich eingefärbt war. Die Landschaft erinnerte mich an Kenia und Tansania mit ihren Savannen, die ja auch recht trocken sind. Es gab große Baobab-Bäume, Gestrüpp, aber auch hohes trockenes Gras. Manchmal war das Gras kilometerlang abgebrannt worden. Weshalb weiß ich auch nicht, denn die Rinder und Esel und Ziegen fressen auch das trockene Gras, das die Farbe von Stroh hatte. So fuhr ich bis in die Stadt Kayes. Mein Reisebuch sagte mir, dass hier ein Hotel mit Camping sein sollte. Auch mein GPS meldete das und führte mich direkt dorthin.
Ich bekam zuerst einen kleinen Schreck, denn es sah völlig heruntergekommen und ungepflegt aus. Ich fuhr durch die Einfahrt und es dauerte, bis jemand kam. Ich fragte nach Camping aber die Antwort fiel so aus, als wenn ich nach einem Zimmer gefragt hätte. Der junge Mann zeigte mir einen Raum mit mehreren Boxen, sodass jedes "Schwein” sein eigenes Abteil hatte. Es gab Licht, Van und funktionierende Steckdosen. Was wollte ein Motorradfahrer schon mehr – genau, Duschen und eine Toilette! Auch das gab es hier. Die Duschen machten einen recht sauberen Eindruck aber......die Toilette! Kein Problem. Wenn das hier mit dem Putzen nicht geklappt hat, sehen wir doch im anderen Gebäude mal nach. Und siehe da, die war viel ansehnlicher. Solange eine sauber ist, braucht man die anderen nicht zu putzen. Der Preis stimmte auch mit 5000 CFA (10 Dollar).
Ich fuhr noch einmal in die Stadt zum Einkauf und um Mails zu schreiben. Ich fuhr auch noch zum Bahnhof, weil es dort viele Marktstände gab und es“ Local-Restaurants“ geben sollte. Das sah mir alles zu schmuddelig aus. So ging ich einfach in das Bahnhofsrestaurant. Tolles Gebäude von außen, innen hatte es schon viele Gebrauchsspuren. Der Chef bediente hier persönlich und seine Mutter kochte. Die Bestellung war ein Überraschungsei, denn ich wußte nicht, was auf der Karte stand. Es wurde nach einiger Zeit ein Stück Fleisch mit Spiegelei darauf, Chips und etwas Gemüse serviert. Wie üblich trank ich eine Cola dazu. Dieses Restaurant machte einen sauberen Eindruck und der Preis stimmte auch.
Wieder an meiner Box angelangt , kam gerade ein Peugeot in die Einfahrt. Er sah wirklich afrikanisch aus. Mit Beulen, Dachträger und demoliertem Lack aber mit Allradantrieb ausgerüstet. Hatte ich noch nie zuvor bei einem so alten Peugeot gesehen. Es stiegen vier Europäer aus. Alles junge Menschen, drei Kerle und ein Mädel. Sie rückten im Nachbargebäude ein. Und sie hatten einen alten, reiseerfahrenen Hund mit, der sich gleich in den Schatten verzog.
Ich verzog mich in meine Box und studierte die Reiseliteratur und die Landkarte, um zu sehen, was es hier an Touristischem gab. So nahm ich ein 15 km südlich gelegenes altes französisches Fort und die Wasserfälle ins Visier. Die Nacht verlief ruhig, denn wir waren hier weit ab von der Innenstadt mit ihrem immer währenden Lärm. Die Dusche am Morgen erfrischte und ich kam mit den Franzosen ins Gespräch, das heißt, mit einem, denn nur er sprach Englisch. Sie waren zusammen in Südfrankreich gestartet und hatten das Problem, das einer von ihnen, der Fahrer ausgerechnet, bei den Schwarzen länger bleiben wollte, um bei ihnen zu leben. Das musste geregelt werden. Sie frühstückten aber zusammen. Das Mädel steckte mir immer wieder Baguett stückchen mit Honig in den Mund. Sah ich hungrig aus?
Ich startete in südlicher Richtung, am Bahnhof vorbei. Ich sah dann auch so etwas wie ein altes Gebäude in einiger Entfernung von der Piste, aber ein Hinweisschild gab es nicht. So fuhr ich auf Verdacht zu dem Gebäude. Ich lag genau richtig mit meiner Vermutung. 50 Meter davor wurde ich von drei Männern abgefangen. Ich erkundigte mich erst einmal, ob ich überhaupt richtig sei. War ich. Der "english speaker" war ein hoch dekorierter Mann, der das "Goldene Touristenführer-Abzeichen" hatte – mit Diplom. Er war der Beste des ganzen Landes. Da hatte ich ja Glück, auf so ein Licht gestoßen zu sein. Ich wunderte mich auch darüber, dass nicht zuallererst über Eintrittspreise gesprochen wurde. Vielleicht eine Taktik, um niemanden zu verärgern? Wir werden sehen, denn sonst wird in Afrika immer zuerst kassiert. Wir gingen in die Festung und er erzählte die "Historie" und über die Bedeutung der einzelnen Gebäude. Ursprünglich war das hier nur ein Handelsposten, der erst später zur Festung ausgebaut wurde. Gegenüber war der Bahnhof aus späterer Zeit, der erste in Mali. Dann gab es noch den Friedhof und den "Military Tower", ein Turm mit einer eigenartigen Geschichte. Im letzten Krieg sollen hier die Franzosen ihr Gold vor den Deutschen versteckt haben. Der "Safe" war noch vorhanden. Es war ein alter verrosteter Würfel von vielleicht einem Kubikmeter Außenmaß. So wenig Gold hätte ja bedeutet, dass Frankreich pleite war. Hier in diesem Turm wurde mir ein wenig schwindelig, wegen der Wärme oder Wassermangel oder die Honigbissen der Französin zu wenig war. Nach einigen Minuten ging es wieder. Wir gingen zurück zum Moped, dort waren meine beiden Thermosflaschen mit kühlem Wasser.
Mein golddiplomierter Bester seines Landes wusste aber noch mehr. Jetzt kam die Kür an den Wasserfällen. Er fuhr voran und wir gelangten zuerst an die Baustelle des Wasserkraftwerkes, das hier neu von den Chinesen errichtet wird. Die Wasserfälle gibt es aber nur in voller Größe, wenn Regenzeit ist und keine Baustelle, derentwegen das Wasser auch noch umgeleitet wurde. Es sind auch nur Stromschnellen. In "Nicht Sahelländern" versteht man unter Wasserfall was anderes. Wir besichtigten auch das alte Kraftwerk, das zum Teil schon demontiert wurde. Es gab für die 100 chinesischen Kraftwerksarbeiter einen ganz neuen Supermarkt. Dort kaufte ich auch ein, denn er führte Milch und Säfte, die man nicht überall bekommt. Dort spendierte ich meinem Reiseführer auch ein Getränk. Da hatte er eine Idee. Wir könnten doch zusammen einen Campingplatz eröffnen oder eine Lodge. Netter Gedanke. Wir fuhren wieder zurück zum Fort. Dort verabschiedete ich mich von ihm und gab ihm etwas Geld, da er bis jetzt noch nicht danach gefragt hatte, was sehr ungewöhnlich für Afrikaner ist.
Als ich in Kayes ankam war es schon dunkel. Ich ersuchte wieder um ein Zimmer, aber niemand kümmerte sich um mich, da ein wichtiges Fußballspiel im Fernseher lief. So nahm ich meine Box vom Vortag wieder. Die Bettwäsche war sowieso noch nicht gewechselt.
Am nächsten Morgen, den 31.01.12 Startete ich früh in die Stadt zum Geldwechseln und dann sofort weiter, wieder am Fort vorbei und dann auf der neuen Straße weiter nach Osten, immer parallel zum Senegal, durch eine Ebene, aus der immer wieder Berge mit ganz besonderen Formen herausragten. Bei einem Fotostop ließen mich Jungs von ihren leckeren Früchten probieren, die sie aus ihren schmutzigen Hosentaschen zogen. Sie sahen aus wie kleine, gelbe, vertrocknete Kirschen und schmeckten angenehm süßsauer. Später sah ich diese Früchte am Strauch und probierte sie. Bei Diamou fuhr ich über eine Brücke des Senegal und entfernte mich von ihm. Die gute Straße hörte plötzlich auf und es ging nur noch über Pisten, die entweder rechts oder links zu der sich im Bau befindlichen neuen verlief. Es ließ sich überhaupt nicht gut fahren, zudem die Temperatur über 30 Grad lag. In Bafoulabe ging es plötzlich leicht bergab und die Piste war zu ende, weil ich wieder am Senegal angekommen war, stimmt, von der Fähre hatte auch mein diplomierter Führer gesprochen.
Ich blicke so über den Fluß, da kam auch schon die Fähre mit drei Autos darauf. Kaum, daß die Fähre leer war, da winkte auch schon jemand vom Steuermannstand. Ich fühlte mich angesprochen und fuhr langsam auf das Boot und wurde vom Leichtmatrosen darauf aufmerksam gemacht mit wink nach oben: Kapitän, Kapitän. Der Käpten selbst gab mir dann Zeichen, nach oben zu ihm zu kommen. Ich stieg die Treppe nach oben, wo ich mit Handschlag begrüßt wurde. Er sagte mir auch noch einmal, er sei der Kapitän und er erklärte mir die Route. Ich zückte natürlich den Fotoapparat und fotografierte alles um mich herum, bis der Käptn mich aufforderte, ihn und sein Matrosen zu fotografieren und wollte auch gleich das Foto haben. Er war richtig enttäuscht, als ich ihm das Dilemma erklärte. Er schrieb mir seine Adresse auf ein Stück Pappe einer alten Zigarettenschachtel. Ich sollte das Foto schicken. Er servierte mir auch gleich die Rechnung für die Überfahrt. Da staunte ich nicht schlecht, 10000 CFA, also 20 Dollar. Ich glaube, die Fahrt kostete gar nichts für Zweiradfahrer, aber was sollte ich tun.
Ich bezahlte und er erklärte mir genau den Weg, den ich für meine Weiterfahrt nehmen mußte. Ich hielt mich genau daran und konnte es nicht glauben, daß die Piste jetzt so schlecht wurde. Sie wand sich in engen Kurven um Bäume und Büsche und war völlig zerfahren mit weißem, mehlartigem, tiefem Staub. Ich war niedergeschlagen, denn bei so einer Strecke würde ich für die 100 km zum nächsten größeren Ort mindestens vier Stunden brauchen, ohne Pause. Den würde ich nicht mehr bei Tageslicht erreichen. Ich trank erst einmal Wasser und überlegte was zu tun wäre…nichts, einfach nur fahren, fahren, fahren. Das war daß einzige was half. Weiter auf der üblen Piste, die parallel zum Senegal verlief, der hier aber nicht mehr so hieß.
Nach einer Stunde fahrt kam ich in einem Ort an, wo gerade zwei Frauen am öffentlichen Wasserhahn ihre Wäsche wuschen. Sie waren sichtlich erstaunt über mich und ich machte ihnen klar, daß ich da jetzt ran müsse. Ich schob vorsichtig ihre Wäschewanne zur Seite und hielt meinen Kopf und die Arme unter das kalte Wasser, denn diese Piste hatte mich so richtig ins Schwitzen gebracht. Zufällig kam ein junger Kerl auf einem Moped vorbei und begrüßte mich. Er erklärte mir, wo es die nächste Cola gab und das aller beste… er erklärte mir den weiteren Verlauf der Piste und das sie viel besser würde.
Es stimmte alles, auch, daß es mir nach der Cola besser ging. Ich fuhr teilweise 70 km/h, immer parallel zum Fluß. Die Landschaft änderte sich etwas. Es lagen plötzlich riesige Felskugeln nur so herum, als wenn Riesen gemurmelt hätten. Dann kam die Stadt Manantali in Sicht. Ich wollte rechts in die Stadt, aber da war ein Schlagbaum, der von fünf bewaffneten Männern gesichert wurde. Sie wollten nicht öffnen. Ich wollte doch nur in die Stadt. Nein, der Schlagbaum blieb unten, das war Gesetz. Sie sprachen kaum englisch. Was jetzt, ich wollte doch hier übernachten. Bis zum nächsten Ort wären es noch einmal 100 km.
Dann kam endlich jemand, der englisch sprach und es klärte sich alles auf. Hinter dem Schlagbaum begann das riesige Gelände des südafrikanischen Elektrokonzerns der hier das Wasserkraftwerk betrieb. Natürlich könne ich hier übernachten, denn sie hätten öfters Gäste und extra Gebäude dafür. Das hatte ich schon einige Male in Afrika erlebt, dies waren nicht die schlechtesten Hütten. Meist hatten sie sogar ein Restaurant. Super!!!Ich bekam eine Haushälfte mit Dusche, Einbauküche und Schlafzimmer mit Klimaanlage für 10000 CFA. Es gab sogar einen Supermarkt, in dem ich Getränke kaufte. Immer dieser Durst!!! Das Motorrad mußte mit ins Haus über drei Stufen, was nicht so einfach war, da der Reifen an den hohen Stufen immer abrutschte.
Aber dann! Ich kochte eine halbe Packung Nudeln und gab Tomatenextrakt dazu und Thunfisch. Doch, doch, wenn man hungrig ist, schmeckt das. Und jede Menge Getränke dazu. Ich duschte, wusch meine Wäsche und ging ins Bett, bei geschätzten 20 Grad Raumtemperatur. Ich wurde zeitig wach, da die Nachbarschaft schon früh am lärmen war. Ich machte mir ein Kaffee nach dem anderen, denn mit dem funktionierenden Küchenherd war das so einfach, wie zu Hause. Aber ich war nicht zu Hause, denn ich mußte das Motorrad nun erst einmal rückwärts durch die enge Tür und dann die Stufen hinunter bringen ohne Sturz, denn meist wird dabei etwas beschädigt.
Gleich nach dem Start ging es in den Ort, der ein Stück weiter lag, um zu tanken. Auch hier ging das literflaschenweise. Der „Tankwart“ staunte über das Fassungsvermögen des Tanks. Ich wollte heute noch Bamako erreichen, also los. Über die Landschaft war nicht viel zu sagen, nur das sie mal mehr, mal weniger grün war. Ich fuhr durch Dörfer, wo ich annahm, das hier noch nie ein Weißer durch gefahren ist. Die Piste war nicht immer gut und trotzdem fuhren hier große Reisebusse, an schlechten Wegstellen aber auch nur Schritttempo. Hielt ich in Ortschaften an, um zu rasten oder zu fotografieren, kamen immer gleich mehrere Jungs, Kinder und Frauen angerannt. Sie waren aber nie aufdringlich. Ich sah in den Dörfern Hütten, die erhöht auf einer Art Steinfundament errichtet waren und die Türen hatten, die erst in Kniehöhe begannen. Sonst haben Hütten keine Türen. Vielleicht waren es Vorratsspeicher.
In dieser Gegend begannen schon die ersten Bäume zu blühen und hatten orangene Blüten. Die Stadt Kita wurde erreicht und als es dunkel wurde, die Stadt Kati, von der es nur noch 30 km bis nach Bamako waren. In Kati war die Zufahrtsstraße nach Bamako in beide Richtungen komplett mit Lkw zugeparkt, deren Fahrer auch nicht mehr fahren wollten, denn sie kochten schon neben ihren Lkw ihr Abendessen. An einer Stelle konnte ich im Vorbeifahren einen geschlossenen Schlagbaum erkennen. Ich mogelte mich, wie alle Zweiradfahrer, an den parkenden Fahrzeugen vorbei, mal rechts, mal links, mal in großem Bogen um sie herum. Es gab eine kleine Parallelstrecke nach Bamako, die ich dann fuhr. Es war inzwischen komplett dunkel und der Staub in der Luft machte sicheres Fahren nicht mehr möglich. Ich hatte vor, bei der Katholischen Mission zu übernachten und fragte mich durch. Ein Passant wies mir den Weg, indem er im Hundstrab vorweg lief. Dann zeigte er in eine Richtung und sagte: noch 200 m. Dann traf ich auf einen jungen Mann mit christlichem Kreuz um den Hals, der sagte, folge mir. Er fuhr mit dem Moped vorweg. Aber die Richtung konnte nicht stimmen. Ich hatte mich nicht getäuscht, denn er hatte mich zur Kathedrale gebracht, weil hier alle Weißen übernachten. Zu meinem Glück war hier kein Bett mehr frei.
Jetzt fuhren wir zur Mission. Er klingelte, es wurde geöffnet und wir warteten im Innenhof. Worauf? Auf die Oberin. Sie redete mit dem jungen Schwarzen in strengem Ton und er sagte ganz leise: sorry, und wir beide wurden ganz schnell wieder vor die Tür gewedelt. Die Tür wurde geschlossen, dann wieder geöffnet. Seltsam. Ich durfte hinein. Dann wurde mir ein Einzelzimmer gezeigt. Ich wollte aber nur für 4000 übernachten, also Dorm, das heißt, mit mehreren in einem Raum. Sie hätte zugern das teure Zimmer für 10000 vermietet.
Nachdem der Papierkram erledigt war, nannte sie die Spielregeln. Es dürfe niemals eine fremde Person das Gelände betreten. Mit Freunden könne man sich gegenüber im Restaurant treffen. Darum hatte sie uns wieder hinaus geworfen. Außerdem, gestand sie, hätten wir sie gerade beim „dinner“ gestört. Ich begrüßte Martin, einen Italiener in meinem Alter. Er war viele Jahre für italienische Botschaften tätig. Er bereiste jetzt Westafrika als Privatmann. Wir teilten uns jetzt ein Zimmer. Am nächsten Morgen startete ich gleich zur Botschaft von Ghana. Mein Reiseführer sagte mir ungefähr, wohin ich fahren mußte und da die malische Botschaft auch in der Region liegen sollte, wollte ich sie anschließend auch gleich mit abarbeiten, denn ich hatte zwei Pässe.
Ich fuhr nach einem kleinen Frühstück mit dem Motorrad in den südlich gelegenen Stadtteil ACI2000. Dort sollte die Botschaft von Ghana liegen. Ich suchte und fragte zwischendurch immer wieder nach ihr. Ich wurde hin und her geschickt. Dann sagte jemand, in der Nähe eines großen Hotels und sagte auch dessen Namen. Ich suchte nun erst einmal dieses Hotel und hatte Glück, denn der Wachmann sprach Englisch. Er wußte genau, wo die Botschaft lag, aber sein Englisch ließ nur eine ungefähre Beschreibung zu. Nach nochmaligem Nachfragen fand ich die Botschaft in doch einer unbedeutenden Schmuddelecke. Hatte sie hier nicht vermutet. Ich durfte ohne Taschenkontrolle hinein und mußte erst einmal bei ohrenbetäubendem Fernsehlärm warten. Außer mir wartete noch eine junge Mutter mit ihren beiden Kindern. Nach einiger Zeit erschien eine große, hübsche Frau am Schalter und winkte mich heran. Ich sagte das Zauberwort „Visa“. Umständlich reichte sie mir vier gleiche Formulare zum Ausfüllen. Mit Hilfe meines kleinen Französischlexikon gelang mir das auch. Ich gab die Formulare wieder ab und wurde nach vier Paßfotos, einer schriftlichen Einladung eines Ghanesen und nach 30000CFA gefragt. Bis auf eine Einladung hatte ich alles. Die Botschaftsangestellte sprach Englisch, was die Sache beschleunigte. Ohne Einladung ginge es nicht, aber wir könnten es trotzdem versuchen, vielleicht genehmigte es der Konsul. Ich mußte es versuchen. Ich bedankte mich, drehte mich um und wollte gehen, da rief sie mich noch einmal zurück und sagte:“Another tenthousand“. Soviel CFA hatte ich gar nicht mehr und bot stattdessen 20 Dollar an. Diese Frau von Welt nahm auch Dollar. Sie sagte: „Montagmittag“, heute war Donnerstag.
So nun noch schnell zur Botschaft von Burkina Faso. Die sollte auch hier in diesem Viertel liegen. Ich fing an zu suchen und zu fragen. Die einen schickten mich hier hin, die nächsten dort hin. Dann war ich völlig falsch, weil ich nicht abbiegen durfte. Dann sah ich plötzlich ein Schild der „Handwerkskammer Köln“. Die wissen vielleicht, wo sich diese Botschaft verbarg. Schon die Zuwegung zur Handwerkskammer hätte man nachts aus Sicherheitsgründen nicht fahren dürfen, weil das Viertel völlig heruntergekommen war. Vor dem Gebäude standen einige Personen herum und einer teilte mir mit, daß niemand deutsch spreche und auch keine Deutschen da wären. Also weiter. Wieder Richtung Unabhängigkeitsdenkmal und von dort einen neuen Start versuchen. Ein Mopedfahrer wollte mir nun den Weg zeigen. Wir befanden uns gerade auf der großen Prachtstraße vielleicht 200 m vor dem Denkmal, da hörte ich drei gewaltige Explosionen. Ich dachte sofort an eine Autobombe. Die vielen Menschen auf der Straße rannten alle davon und so erkannte ich den Explosionsort. Es war auch ein wenig Rauch zu sehen.
Ich sah ein Fahrzeug mit einer montierten Kanone und blau uniformierte mit Helm drum herum. Das Fahrzeug raste rechts in eine Seitenstraße. Mir kamen viele Menschen entgegen gerannt. Drei Jungs redeten auf mich ein und bedeuteten mir mit ihren Händen, den Motor abzustellen und das Motorrad zu schieben. Viele legten ihr Moped auf die Straße. Wofür sollte das gut sein. Ich kannte die Spielregeln nicht. Ich hatte mein Motorrad auch ein Stück geschoben, aber 250kg? Ich startete den Motor wieder und fuhr langsam weiter. Da kam plötzlich wieder ein Kanonenfahrzeug aus einer Seitenstraße von links auf mich zu, wendete und jagte nun mit Steinen bewaffnete junge Männer. Es fielen aber keine Schüsse mehr.
Ich wollte mich nun von meinem GPS in die Katholische Mission führen lassen, was aber völlig daneben ging. Ich war plötzlich irgendwo aber nicht in der Mission. Ein Mann fragte mich, wo ich hin wolle. Er riet mir, mich erst einmal zwischen parkende Autos zu stellen und zu warten. Dann kam zufällig sein Bruder auf einem Moped vorbei. Der brachte mich dann auf Umwegen aus dem Kampfgetümmel. Ich hörte den ganzen Nachmittag die Sirenen der Polizei und beschloß, diesen Tag in der Mission zu bleiben. Am nächsten Morgen setzte ich die Suche nach der Botschaft fort, nun aber mit einem Ortskundigen auf dem Sozius. Sie war schnell gefunden und die Formblätter ausgefüllt. Am Nachmittag konnte ich das Visum für Burkina Faso schon abholen, wieder mit der Hilfe eines Ortskundigen, falls ich hätte Umwege fahren müssen wegen einer Demonstration. Auch an diesem Tag hörte ich immer wieder die Sirenen der Polizeifahrzeuge.
Martin, der Italiener hatte auch Probleme mit seinem Visum für Elfenbeinküste. Er brauchte auch eine Einladung. Dabei halfen ihm die Schwestern der Mission. Sie hatten Verbindungen zu Missionen dort und er bekam eine Einladung dort hin. Da wurde mir klar, ohne Einladung und Identitätskarte des Gastgebers würde ich nicht nach Angola einreisen dürfen. Martin sprach Englisch und Französisch und fragte zwei Geschäftsfrauen aus dem Kongo, denn das wäre das Land für einen Visumantrag. Sie bestätigten die Information mit den Einladungen. Was tun? Wenn ich nun im Kongo bin und kein Visum für Angola bekäme, würde mein Zeitplan völlig durcheinander kommen. Wie sollte ich denn von Kongo meine Weiterreise organisieren. Ich hatte schließlich einen festen Termin mit meinen Nichten in Namibia. Und anschließend noch mit Sigrid. Selbst, wenn man das Visum bekäme, kann die Bearbeitung bis zu sechs Wochen dauern. Das hatte ich alles nicht bedacht. Ich überlegte das ganze Wochenende hin und her und wälzte meine Reiseführer und Landkarten. Angola zu umfahren wäre ein großes Risiko, weil die Pisten nach einem Regen unpassierbar sind, überall Banditenbanden und 2000 km Strecke zusätzlich. Wahnsinn!
Sonntagabend kam ich zu dem Entschluss, nur bis nach Ghana zu fahren und von dort wieder die Rückreise anzutreten. Man muß in Afrika flexibel sein und darf sich nicht an einem Ziel festbeißen, daß könnte einem Zähne kosten. So bin ich immer am besten gefahren. So hat man für später noch ein Ziel. Sonntag kam noch ein Gast in die Mission, Achim aus Hannover. Wir hatten uns schon an der Grenze von Marokko nach Mauretanien getroffen. Er war als Rucksackreisender unterwegs. Wir hatten uns viel zu erzählen. Montag verpatzte ich den Termin für das Ghana-Visum und nutzte die Zeit für andere Dinge. Dienstag startete ich dann zur Botschaft und bekam tatsächlich das Visum. War auch teuer genug.
Ich fuhr nach Süden aus der Stadt heraus Richtung Bougouni. Ich fuhr das erste Mal über den Fluß „Niger“, der hier sehr breit ist, schätzungsweise dreihundert Meter oder mehr. Nach ungefähr vier Stunden kam ich in dem Ort Bougouni an und entschied, mir hier schon eine Herberge für die Nacht zu suchen, denn die nächste größere Stadt würde ich nicht mehr im hellen erreichen. Ich sah gegenüber der Tankstelle ein kleines Schmuddelhotel. Ich war durch meine Art des Reisens ja einiges gewohnt, aber was mir hier angeboten wurde war zu viel des Drecks. Die Zimmer vermüllt und verdreckt, die schmutzige Bettwäsche der letzten zehn Gäste noch auf der Matratze, die Dusche ohne fließendes Wasser, nur das, was die letzten Gäste von sich in die Dusche gegeben hatten war hier geflossen, denn so stank es. Das ganze sollte es zum Vorzugspreis von 7500 CFA geben. Also 15 Dollar, wenn man bedenkt, daß der monatliche Durchschnittsverdienst in diesem Land 60 US Dollar betrug. Ich verließ empört das „Hotel“ und der Besitzer war empört, daß ich sein Angebot nicht annahm. Ich fuhr weiter in den Ort und sah plötzlich ein Schild der Evangelischen Mission. Automatisch stoppte ich und fragte einen jungen Mann nach einer Schlafstelle, indem ich entsprechende Handbewegungen machte und ihn gleichzeitig auf Englisch fragte. Ich sollte warten, denn er mußte fragen und kam mit einem etwas älteren Mann wieder. Der beäugte mich und nickte dann und mir wurde der Weg zum Eingang der Kirche gezeigt.
Der kleine Gebäudekomplex bestand aus dem Gebetsraum, der eigentlichen Kirche, einem Nebenraum und den drei kleinen Räumen der Familie, die hier wohnte. Hier lebte eine Mutter mit ihren beiden Söhnen und ihren beiden Töchtern und der Ehefrau des älteren Sohnes. Ich fuhr also mit dem Motorrad über die Stufen auf die Veranda der Kirche, dann ganz scharf links und in die Kirche hinein. Dort stellte ich es ab und daneben sollte dann mein Schlafplatz sein. Erst einmal ging ich mit dem jüngeren Sohn in den Ort auf den Markt, der mindestens einen Kilometer entfernt war. Wir tranken jeder eine Cola und traten den Rückweg an, vorbei an all den Marktständen. An einem Stand, wo eine Frau mit ihrer Tochter Fisch in der Pfanne garte, blieben wir stehen und ich bekam Appetit. Der Fisch roch gut und so orderte ich vier Stück. Ich wunderte mich, wo die Frau wohl das Packpapier her hatte, in das der Fisch nach dem Braten gelegt wurde. Dann konnte ich es sehen. Sie langte hinter sich, hob einen leeren Zementsack hoch und riß ein Stück davon ab. Es staubte ein wenig und in das sparsam bemessene Stück wurde dann das gebratene Stück gelegt. Hier in Afrika wird alles genutzt und benutzt. So gingen wir mit vier Stück leckerem Fisch und einem Baguette zurück.
Zu diesem Zeitpunkt wußte ich noch nicht, wie groß die Familie war. Ich teilte den Männern aber mit, daß der Fisch für alle war. Auch für christliche Männer heißt das, für die Männer, denn Frauen müssen immer zurück stecken. Ist ja auch ganz normal, oder? Dann erschien die Ehefrau des älteren Sohnes, um sich nach dem Befinden der Männer zu erkundigen. Da sprach ich sie an und zeigte auf das letzte Stück, es waren vier große Stücke gewesen. Sie nahm es und kam mit einer Schüssel mit Salat und Pommes zurück. Ich aß nichts vom Salat, weil ich noch Respekt vor den Bakterien hatte. Vor und nach dem Essen wurde selbstverständlich gebetet. Kann man ja nichts mit verkehrt machen. Nach einem gemeinsamen Kaffee aus meinem Vorrat wurde richtiger Gottesdienst gehalten, an dem ich selbstverständlich mit der ganzen Familie teilnahm. Der ältere Sohn hielt den Gottesdienst in der einheimischen Sprache lautstark ab. Er spielte eine richtige Rolle, hatte dabei eine Brille auf der Nase, was bei Schwarzen äußerst ungewöhnlich ist und las aus der Bibel vor. Es wurden auch Lieder gesungen. Sie waren keine geübten Sänger, denn sie trafen die Töne nie richtig. Man mußte auch immer wieder zwischendurch aufstehen und beten. Nach dieser rituellen Übung verabschiedeten sich die Christen nach und nach zur Nachtruhe.
Ich wollte meinen Schlafsack aus dem Packsack holen, da bemerkte ich, daß neben meinem Motorrad eine richtige Matratze lag mit einem gespannten Moskitonetz. Das war anders abgesprochen! Ich lag jetzt auf der Matratze des jüngeren Sohnes und der lag auch in der Kirche auf einer Strohmatte. Ich schlief gut. Morgens wurde ich durch Gesang und Gebet geweckt. Ich lauschte besonders den Gesängen und stand dann auf. Das Frühstuck war einfach, ein Stück Baguette und einen Kaffee. Der älteste Sohn ging zur Arbeit, zu einem Projekt. Also Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Die Töchter gingen zur Schule und mußten anschließend wieder geröstete Nüsse und Gebäck an der Straße verkaufen. Der jüngere Sohn blieb heute zu Hause, denn er teilte sich den Job mit seinem Bruder tageweise. Ich bedankte mich bei allen und verabschiedete mich und gab der Familie 4000CFA für die Kirche. Die Kirchengemeinde umfaßte ungefähr 40 Mitglieder.
Ich fuhr jetzt nach Osten, nach Sikasso. Die Landschaft wechselte zwischen fast laublosem und grünem Baumbestand. Manchmal gab es auch nur fast kahles Gestrüpp. In der Nähe der Flüsse war die Landschaft immer etwas grüner und immer waren Menschen dort anzutreffen, die fischten oder sich und ihre Wäsche reinigten. Von Sikasso fuhr ich nach Norden, weil dort der nächste Grenzübergang nach Burkina Faso auf meiner Landkarte eingezeichnet war. In der malischen Stadt Koutiala übernachtete ich in einem Hotel mit schönem grünen und blühenden Garten. Hir gab es sogar Internetzugang, aber mit sehr langsamem Datenfluß. Abends ging ich noch einmal auf den Mark, aber ohne Kauferfolg. Am nächsten Morgen legte ich die 120 km bis zur Grenze nach Burkina Faso locker zurück und hatte viel Spaß mit den Grenzern, die mit sieben Mann im Schatten eines großen Baumes lagen und dösten oder Tee tranken.
Auf der malischen Seite war der einzige englisch sprechende Grenzer nun der Prinz, der sich mit mir verständigen konnte und all die vielen Fragen seiner Kollegen übersetzen mußte. Das Motorrad war selbstverständlich im Mittelpunkt und ich mußte viele technische Fragen beantworten. Die Formalitäten waren zur Nebensächlichkeit geworden. Die Grenzer füllten die Papiere aus. Diesen Tag werden sie so schnell nicht vergessen, endlich war mal was los. Sonst war wieder Langeweile angesagt, denn hier war kaum Grenzverkehr. Wir verabschiedeten uns freundschaftlich, denn wir hatten auch viel gemeinsam gelacht. Nun lagen zwei Kilometer bis zum Grenzposten von Burkina Faso vor mir. 
Damit schließen wir erst einmal das Kapitel „Mali“ ab und werden uns das nächste Mal mit Burkina Faso beschäftigen.   




















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